Allgemeine Theorie des PRAP

Als eine prozeßorientierte Sprache beschreibt der PRAP den funktionellen Zusammenhang zwischen Prozeßeingang und -ausgang (siehe: Informationsflußmodell). Dabei handelt es sich zumeist um einen Teil des zu steuernden technologischen Prozesses, also eines Teilprozesses.[1]
Der Prozeßablaufplan ist das Steuerungs-Modell eines zu steuernden (Teil-)Prozesses.
Der PRAP ist ein gerichteter, stark zusammenhängender[2] Graph, der auf automatentheoretischen Grundlagen (siehe Fußnote) beruht:

  • Das Automatenmodell ist grundsätzlich ungetaktet und mit einem Initialzustand behaftet.

  • Jeder Automatenzustand wird durch eine Prozeß-Situation[3] definiert, und es gibt genau eine Initialsituation[4].

  • Jede Situation wird gemäß dem Modell des Moore-Automaten behandelt, wenn sie sich nicht in einer kombinatorischen Struktur befindet.

  • Jede kombinatorische[5] Struktur enthält wenigstens zwei Situationen, und eine kombinatorische Struktur wird als ein Zustand gemäß dem Modell des Mealy-Automaten behandelt.

  • Ferner erfüllt der PRAP automatentheoretische Forderungen, wie
    Widerspruchsfreiheit[6] und
    Vollständigkeit[7].

Die Eigenschaft der Vollständigkeit garantiert eine technologisch gesicherte Aussage über die steuerungstechnischen Ausgaben, d.h. Wirkungen jeder Operation[8] auf den zu steuernden (Teil-)Prozeß.
Der starke Zusammenhang garantiert einen technologisch gesicherten Steuerungsablauf in allen Situationen des PRAP.
Voraussetzung für die Erstellung eines PRAP ist, daß der erste Schritt der Prozeßzerlegung stattgefunden hat.
Wie ein PRAP entwickelt bzw. entworfen wird, zeigt Ihnen das Thema Entwicklung eines PRAP.
Die nichtbinären Funktionen sind in die Ausgabe- bzw. Eingabefunktion des Automaten eingebettet. Die Flankenerkennungen und die Vergleichsfunktionen liefern ihr Funktionsergebnis an eine Boolesche Variable und sind damit Prozeßvariable (Bedingungen, Conditions). Das gilt auch für Zeit- und Zählgliedfunktionen bzw. deren Funktionsergebnis. Andererseits sind das Ein- und Ausschalten von Zeit- und Zählfunktionen sowie Durchführung arithmetischer Berechnungen oder Kopierfunktionen an Operationen bzw. Situationen im PRAP gebunden und daher durch Operationsvariable zu steuern.
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Automatentheoretische Grundlagen unterscheiden sich grundsätzlich von Petri-Netzgrundlagen, die dem Prozeßablaufnetz zu Grunde liegen.


[1] Teilprozeß, kurz TP, heißt jede Einheit aus dem gesamten Steuerungsbereich (im Prozeßzerlegungsgraphen zu erkennen) eines Prozesses.
Ist ein Teilprozeß durch einen PRAP beschrieben, so stellt der PRAP eine Teilprozeßbeschreibung dar. Dabei sind die Variablen formaler Natur, sind also nicht mit direkten Adressen verbunden. Der PRAP ist daher der Typ des TP, dessen Variable jedoch adressiert bzw. Konstante sind. Sie heißen aktuale Parameter, weil sie für den TP speziell gelten. Jeder TP ist demnach eine Instanz des PRAP.
Auch eine Stabilisierungsaufgabe für eine oder mehrere Prozeßgrößen, also eine Regelungsaufgabe, ist ein Teilprozeß, der z.B. durch ein PID-Modell beschrieben wird.
Jeder PRAP muß einen einmaligen Namen pro Ressource haben. Jeder Teilprozeß als Instanz eines Typen-PRAP muß einen einmaligen Namen in "seinem" PROGRAM haben. Er muß im Prozeßzerlegungsgraphen - PZG - dieser Ressource enthalten sein.
Wichtige Eigenschaft eines TP:
Jeder Teilprozeß aus dem PZG ist als Instanz oder als Unikat zu verstehen. Zu jedem Teilprozeß gehört eine Anzahl Eingangssvariable und Ausgangsvariable. In keinem anderen Teilprozeß des Teil-Projektes, also innerhalb einer Ressource, darf es dieselben Ausgangsvariablen, im Blick auf die Instanz - dieselben Ausgangsvariablen mit direkten Booleschen Adressen - nicht nocheinmal geben! Mengentheoretisch bedeutet dies, daß die Schnittmenge der Mengen der Ausgangsvariablen zweier TP leer ist.
Die durch arithmetische oder Kopier-Ausdrücke sich ergebenden Ausgangsvariablen dürfen in mehreren Instanzen dann gleich sein, wenn sie nicht innerhalb eines Arbeitszyklus' der Steuereinrichtung "geschrieben" werden.

[2] Ein Graph ist stark zusammenhängend, wenn von einem Knoten Kj jeder andere Knoten Kk und auch Kj wieder selbst über einen Weg erreicht werden kann.
Stark Zusammenhängend (= strong connected) ist ein PRAP, wenn ausgehend von einer Operation Oj jede andere Operation Ok und sie selbst erreicht werden kann.
Ein Weg in einem Graph setzt sich aus mehreren Pfaden zusammen. Dabei ist im PRAP diese Zusammensetzung auch mit einem Wertewechsel der P-Variablen in Pfaden zugelassen.

[3] Prozeßsituation
Für die Dauer der Ausführung einer Operation, z.B. O7, ändert sich deren Halte- oder Stabilitäts-Prozeßzustand, P77, nicht. Enthält er im PRAP mehrere Pfade, so kann es sein, daß zwischen ihnen die Belegung der P-Variablen während der Situationsdauer wechselt.
Die beiden zusammengehörigen Größen Operation und Halteprozeßzustand stellen eine Prozeßsituation Sit7 = (O7, P77) dar, auch kurz mit Situation bezeichnet.
Übergangssituationen gibt es nicht, nur Übergangs-Prozeßzustände,weil die Übergangsdauer zwischen Situationen im PRAP null ist. Die Steuereinrichtung benötigt dazu genau einen Arbeitszyklus.
Eine Situation kann auch als WHILE P77 DO O7 gelesen werden, oder REPEAT O7 UNTIL(P77 = false)

[4] Initial-Operation oder Start-Operation (= Launch Operation) nennt man diejenige Operation in einem PRAP, die mit dem Einschalten/Starten (Stop => Run) der Steuer-Einrichtung als erste ausgeführt werden muß. Das gilt auch dann, wenn mit dem Start schon ein Übergang zu einer Folgeoperation erfüllt sein sollte, der erst im nächsten Verarbeitungs-Zyklus zur Ausführung gelangt. In der Initialoperation können daher z.B. Speicherbereiche mit Anfangswerten belegt werden (siehe Kopierfunktion).
Zur Initial-Situation gehört neben der Initialoperation noch der Stabilitäts-Prozeßzustand.

[5] Eine kombinatorische Struktur entsteht, wenn der Übergangszustand Pjk der Operation Oj gleich dem Haltezustand Pkk der Operation Ok ist und umgekehrt Pki = Pii gilt. Erfüllt der Übergangszustand Pif zu einer gemeinsamen Folgeoperation Of die Gleichheitsbedingung nicht, dann gehört Of nicht zur kombinatorischen Struktur, aber es muß Pif = Pkf für alle Operationen der kombinatorischen Struktur gelten.

[6] Widerspruchsfrei (contradictionless)
ist ein PRAP, wenn sich alle zu einer Operation gehörenden Übergangs- und Haltepfade gegenseitig ausschließen.

[7] Vollständig (complete) ist ein PRAP, wenn alle zu einer Operation gehörenden Übergangspfade genau irgendeiner anderen Operation zugeordnet werden können, alle Haltepfade führen zu der betrachteten Operation zurück. Das ist die pragmatische Beschreibung.
Oder die mathematische Form:
Wird jeder Pfad, der von einer Operation ausgeht, als konjunktiver Boolescher Ausdruck beschrieben, wobei ja mit 1 und nein mit 0 auszudrücken sind, dann ergibt die disjunktive Verknüpfung aller Konjunktionen den Wert 1. Die Vollständigkeit muß für jede Operation nachgewiesen werden.

[8] Eine Operation enthält alle zu einem Teilprozeß gehörenden, binär bewerteten Operationsvariable (kurz: OVar, auch Steuervariable genannt). Zu jeder Operation gehört eine zu ihr gehörende Wertebelegung. Jede Operation ist daher ein Binärvektor.
Sie sollten auch einen Text in eine Operation schreiben (=Comment), um dem Leser des PRAP eine Art Schrittbezeichnung anzubieten, die Auskunft über den technologisch wesentlichen Sinn der Operation gibt.

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